

Marktplatz Grieth am Rhein
Auftraggeber: | Stadt Kalkar |
Projektort: | Grieth am Rhein (zu Kalkar) |
Leistungen: | Entwurf zur Neugestaltung des Marktplatzes von Grieht, Freianlagen nach HOAI 2013, Lp 1-3 |
Planungszeitraum: | seit 2019 |
Bauzeit: | vorr. in 2022 |
Honorar (netto): | ca. 35.000 € |
Bausumme (netto): | ca. 400.000 € nördl. Platz, Gesamtplatz ca. 700.000 € |
Projektgröße: | ca. 3.000 m² |
Bauliche Besonderheiten: | Entwicklung identitätsstiftender Objekte im Kontext der Stadtgeschichte als alte Hansestadt |
Die Stadt Kalkar plant - auf vielfache Anregung einer engagierten Bürgerschaft hin - die Umgestaltung des Marktplatzes von Grieth. Mit der Entwurfsplanung wurde das Büro Lp+b beauftragt.
Grieth, ein am Rhein befindlicher Stadtteil von Kalkar, war seit dem 16. Jahrhundert eine eigenständige Hansestadt, was sich in der städtebaulichen Struktur des Marktplatzes widerspiegelt, die ihn als historisch gewachsenes Zentrum des Ortes ausweist. Das heutige Erscheinungsbild wirkt jedoch aufgrund vielfacher Umbauten und Anpassungsarbeiten sowie einer beliebig zusammengewürfelten Ausstattung zusammenhangslos und unstrukturiert. Zudem ist in der neueren Geschichte die Pflasterung des Platzes aus Rheinkieseln für Baumaßnahmen am Marktplatz in Kalkar ausgebaut und entfernt worden.
Es fällt besonders auf, dass der Kraftfahrzeugverkehr den Platz übermäßig dominiert und keine klare Parksituation ablesbar ist. Des Weiteren wirken das Trafohaus sowie der Brunnen im nördlichen Teil des Platzes in räumlicher als auch ästhetischer Hinsicht desintegriert.
Die Neugestaltung des Marktplatzes sollte unter Berücksichtigung der Verkehrs-/Parkplatzsituation und dem Umgang mit vorhandenen Bestandselementen erfolgen und insbesondere die Bürgerinnen und Bürger in einem intensiven Dialogprozess mit einbinden.
Die zu beplanende Fläche umfasste ursprünglich ca. 2600m². Unter Einbeziehung der Ergebnisse einer im Vorfeld durchgeführten BürgerInnenbefragung sowie deren Konkretisierung auf zwei BürgerInnenversammlungen sollten Angebote für alle Generationen entwickelt werden und nicht nur den Bewohnern des Ortes, sondern auch dem sanften Tourismus, wie er sich in den Fahrradreisenden am Niederrhein widerspiegelt, zugutekommen.
Im Zuge der weiteren Durcharbeitung stellte sich heraus, dass eine qualifizierte Neugestaltung des gesamten Marktplatzes wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Daher beschränkt sich die hiermit vorgelegte Entwurfsplanung auf den – vermutlich bedeutsameren – Nordteil des Platzes; und auch hier ohne Eingriff in den Straßenraum, sodass letztlich nur ca. 1000-1200m² - diese dafür hochwertig - umzubauen sind.
Schwerpunkt des Entwurfs ist Umgang mit der Flussgeschichte und der Fokus auf die historische Fischerei, die den Bewohnern neben dem Status als Hansestadt mit allen damit verbundenen Stadt-, Zoll- und Stapelrechten ein festes Einkommen sicherte. Gefangen wurden einst Salme, Maifische, Aale, Neunaugen und Gründlingen. Bis ins 20. Jhd. bildete die Aalfischerei einen Schwerpunkt, noch heute hat ein sog. "Aalschocker" seinen Liegeplatz in Grieth (betreibt die Fischerei allerdings nur noch zu wissenschaftlichen Zwecken).
Der derzeitige Brunnen ist eine im 20. Jhd. gebaute Reminiszenz an den ursprünglichen Marktbrunnen. Dessen ursprüngliche Lage wurde – auch von den Alteingesessenen kontrovers diskutiert – es gab auch Stimmen, die den alten Brunnen im südlichen Platzteil verorten, da wo sich die alte (bzw. historisierende) Schwengelpumpe befindet. Der derzeitige Brunnen ist mehrheitlich unbeliebt. Er enthält kein Wasser und wird eher als Müllablade denn als Treffpunkt genutzt; ein Eindruck, der durch das Trafohaus noch verstärkt wird.
Mehrheitlich einig ist man sich in der BürgerInnenschaft, dass der alte Brunnen (nebst Trafo) entfernt und durch einen neuen, wasserspendenden ersetzt wird. Einig ist man sich, dass der Vorplatzbereich des Altenheims, zugleich Bestuhlungsfläche des Hanselädchens, der ideale Standort ist. Damit kann der derzeitige Brunnenstandort als mutmaßlich historischer Originalstandort beibehalten werden.
Neben der Hauptnutzung des Platzes als Treff und Aufenthalt für Familien und Senioren sowie vorbeikommende Fahrradtouristen insbesondere in Verbindung mit dem Hanselädchen und einer damit verbundenen Bestuhlungsfläche gibt es einige Veranstaltungen wie einen Weihnachtsmarkt
Eine ausgeprägte Intensivierung des Grünanteils auf dem Platz wurde bereits im Vorfeld von der Denkmalbehörde abgelehnt. Nichtsdestotrotz wird der Baumbestand als positiv gewertet und darf auch erweitert werden. Eine zwischenzeitlich vorgesehene Akzentuierung mit Hecken zur Kaschierung der Stellplatzflächen ist nach dem Wegfall der Stellplätze obsolet.
Gleichwohl besteht ein Bedürfnis nach Windfanghecken insbesondere in den Bereichen, wo Außengastronomie des Hanselädchens vorgesehen ist. Hier könnten im Zuge der weiteren Planungen ggf. noch ein oder zwei Standorte gefunden werden.
Der Platz bildet eine sanfte Kuppenform aus, die zu den Rändern hin entwässert. Die Lage der vorhandenen Entwässerungspunkte wird weitestgehend beibehalten und muss nur an wenigen Stellen geringfügig geändert werden.
Sämtliche Gefälle liegen zwischen 2% und 3%, nie über 3%, sodass eine durchgehende vollständige Barrierefreiheit gegeben ist.
Der im Laufe der Zeit zusammengekommene Mix unterschiedlicher Pflasterungen aus Naturstein, Klinker, Betonstein und Schlackestein wird durch eine an traditionellen bzw. historisch ortstypischen Materialien orientierte einheitliche Pflasterung ersetzt.
Die neue Pflasterung sollte sich und muss zudem eine barrierefreie – also einerseits rutschfeste, zugleich aber auch möglichst glatte – Oberfläche aufweisen. Demnach käme vor allem ein Pflasterklinker infrage, allerdings kein industriell produzierter.
Der Entwurf sieht die Verwendung eines am Bestand orientierten Klinkerpflasters vor, sodass sich der Platz insgesamt deutlich beruhigt. Das Maß der Homogenisierung ist das Klinkerpflaster, das vor dem Seniorenheim sowie an anderen Stellen vor den Häusern liegt.
Die derzeitige historisierende Beleuchtung wird überwiegend positiv bewertet. Eine zu "moderne" Leuchtenform wird mehrheitlich abgelehnt. Daher bleiben die bisherigen Leuchten bestehen. Aus raumtechnischen Gründen muss eine Leuchte versetzt und eine zusätzliche historisierende Leuchte gleicher Bauart am Südwestrand der nördlichen Platzhälfte aufgestellt werden. Laut Auskunft der Stadtverwaltung ist noch mindestens eine solche Leuchte eingelagert.
Einig ist man sich darin, dass das Sitzplatzangebot erweitert werden sollte. Dabei schwanken die individuellen Vorstellungen zwischen originellen Banktypen wie z.B. einer "Floßbank" und der Notwendigkeit, möglichste seniorengerechte Bänke aufzustellen, da der Platz sehr stark vom angrenzenden Altenheim genutzt wird.
Im entwurflichen Kontext sind nunmehr Viertelrundbänke vorgesehen, die so ausgestaltet sein müssen, dass sie weniger ein "Sofabequemlichkeit" als vielmehr seniorengerecht ausgestaltet sein müssen. Dies betrifft eine eher hohe waagerechte Sitzfläche, Rückenlehnen und Armlehnen als Wiederaufstehhilfe.
Die Viertelrundbänke sind nicht nur besonders kommunikativ, sie umschließen auch als zentrales Element den geplanten Brunnen.
Für die Planung des Brunnens mit Wasserspiel hat Lp+b mit dem slowenischen Bildhauer Arijel Štrukelj und der Wiener Bildhauerin Katharina Mörth zusammengearbeitet. Lp+b hat mit Objekten von Katharina Mörth bereits gute Erfahrungen im Außenraum nicht nur hinsichtlich ihrer künstlerischen Qualität, sondern auch ihrer Robustheit und geringen Wartungsaufwendungen gemacht.
Auf Anraten des Bauausschusses wurden diese Künstlerbrunnen durch einen sog. "Architektenbrunnen", also eine räumlich hergeleitete eher technisch-funktional gestaltete Variante weiterentwickelt, die insbesondere den Bestandsbrunnen stärker integriert.
Die Idee ist, den oberen Teil abzubrechen und mit den neuen Klinkermaterialien des Platzes geringfügig bzw. gefälleausgleichend neu aufzumauern. Eine vertieft eingelassene Panzerglasplatte ist begehbar, zugleich kann man sich an den Brunnenrand setzen und in die Tiefe schauen. Dort wird das Brunnenwasser, das ist das Grundwasser in kommunizierender Verbindung mit dem Rheinpegel, durch wasserfeste Scheinwerfer erleuchtet.
In zu definierenden Zeitabständen tritt aus Nebeldüsen Dampf aus, der aus dem Brunnen hochsteigt und für einige Minuten den Brunnen "mystisch" einhüllt – erfahrungsgemäß der Moment, auf den die Kinder warten, um darin zu spielen oder zu tanzen. Bei Nacht kann der Nebel zusätzlich illuminiert werden.
Da ein solcher flacher Brunnen schon ab einer geringen Entfernung schnell übersehen werden kann, besteht zudem die Möglichkeit, ihn mit einer der voran entwickelten Skulpturen zu kombinieren. So könnten z.B. die "Fliegenden Flossen" aus dem Brunnen quasi aufsteigen und ihn auch weithin sichtbar und attraktiv machen.
Nachdem nun das Thema Wasserspiel sehr genau eingeschränkt und fokussiert wurde, sollte im Zuge der weiteren Planung nochmals im Rahmen einer BürgerInnenbeteiligung die endgültige Form herausgearbeitet werden.
Dies sollte auch in Verbindung mit der Auswahl der Viertelrundbänke geschehen, da im Entwurf vier Viertelrundbänke einen Sitzkreis um den Brunnen bilden.
Die Vorplanung des Gesamtplatzes Nord und Süd sah ein Nord und Süd verbindendes Intarsienband im Boden vor, das in anschaulicher Form Stadtgeschichte erzählt. Nachdem nunmehr nur die Nordhälfte umgestaltet wird, ist dieses Intarsienband vorerst entfallen. Auch hierzu sollte im Zuge der weiteren Planung nochmals im Rahmen einer BürgerInnenbeteiligung herausgearbeitet werden, ob ein Bodenrelief o.ä. in ähnlicher Form durchgeplant oder hier eine Infostele aufgestellt werden soll. In der Kostenberechnung ist ein pauschaler Budgetpreis hierzu enthalten.
Der Entwurf bildet die Grundlage zur Beantragung von Mitteln der Städtebauförderung. Nach erfolgtem Förderbescheid soll die Planung nochmals durch eine Bürgerbeteiligung sowie Beteiligungen bei den Bemusterungen von Details - insbesondere was die Ausgestaltung des Brunnens betrifft - rückgekoppelt und dann im Jahr 2021/2022 umgesetzt werden.
Der neue Griether Markt hat das Potenzial, seine Bedeutung für den kleinen Ort am Rhein als gemeinschaftlicher Nukleus weiterzuentwickeln. Die Qualitäten von offenen, vielseitig nutzbaren und vom Autoverkehr unbehelligten Platzflächen ist verstärkt in den Fokus vieler Menschen gerückt. Ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit, verbunden mit der Reduzierung von Autoverkehr und der Rückbesinnung auf das Lokale sind nicht erst seit Corona ideale Voraussetzungen für das Entstehen neuer sozialer Beziehungen im "Draußen", wenn ein Angebot gemeinsamer Nutzung besteht.

































