
Landschaftsarchitektur im Ruhrgebiet ist Bauen auf Gebautem auf Gebautem. Und auf Altlasten, von denen kaum ein Quadratmeter – oder sagen wir gleich Kubikmeter – verschont ist.
Die einstige Sumpflandschaft nördlich und südlich der Emscher wurde in den letzten 200 Jahren durch Bergbau und Stahlindustrie tiefgründig umgegraben. Massive Bergsenkungen, die die Flüsse versiegen oder in Gegenrichtung fließen lassen, das stete Wachstum von Müllhalden und Abraumdeponien des Bergbaus, ein immer dichteres Flechtwerk aus Hochwasserschutzdeichen und auf Dämmen aufgeschütteten Eisenbahn- und später Autobahntrassen und ein zwar kleinteiliger, aber flächenintensiver Siedlungsbau haben von der alten Naturlandschaft nichts mehr übriggelassen. Und die sagenhaften 99 Pumpwerke der Emschergenossenschaft tragen die sogenannte Ewigkeitslast, das Ruhrgebiet im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Untergang zu bewahren.
Und der Zweite Weltkrieg tat sein Übriges. Jedes Bauen erfordert vorab nicht nur eine bergbauliche, sondern auch eine intensive Kampfmittelrecherche mit vorsichtigen Bohrungen und oft genug auch Bombenfunden, die entschärft werden müssen. Und selbst danach müssen die Bagger manchmal Stahlpanzerschürzen tragen, und die eine oder andere Baustelle wird permanent von einem Feuerwerker überwacht.
Als Freiraumplaner können wir der Ruhrgebietslandschaft nicht ihre ursprüngliche Natur zurückgeben. Einstige Flachlandbäche liegen mittlerweile drei, vier Meter tief und verlaufen in engen Schluchten, scheinbar natürlich anmutende Gewässer und Gräben müssen nach unten hin abgedichtet werden, weil ein natürliches Regen- und Grundwassermanagement angesichts der Bodenchemie und der neuen Geländemorphologie kaum möglich ist, und den wünschenswerten einheimischen („autochthonen“) Pflanzen macht der Klimawandel den Garaus.
Und doch ist Heilung möglich.
Stillgelegte Industrieareale, aufgegebe Umschlagplätze, leerstehende Zechengebäude und die steilen Hänge der Halden sind Oasen für seltene Tiere und Pflanzen. Überall wachsen Industriewälder, die in keine herkömmliche Biotopkategorie passen. Auf dem Bahnschotter leben Eidechsen und Kreuzkröten, in Mauerritzen und Dachgauben nisten Fledermäuse und die Ufer der renaturierten Bäche und Flüsse sind nun Habitate für seltene Pflanzen und Insekten.
Nachdem die gigantischen Umwälzungen durch Bergbau, Schwerindustrie und Krieg der Vergangenheit angehören, wollen wir dazu beitragen, das Ruhrgebiet mit einer neuen grünen „Haut“ zu beruhigen. Dazu gehören das Erkennen potenzieller zukünftiger Naturräume, die Auswahl der richtigen Initialbepflanzung und insbesondere ein wachsames Bodenmanagement.
Denn der Boden wird definiert nach Belastungsklassen – und seine „Entsorgung“ ist – je nach Chemie – teuer. Mittels dreidimensionaler Planung schon im Entwurf können wir den Eingriff minimieren und die Flächenmodulation optimieren. Ein frühzeitiges Bodengutachten, das nicht nur die Standfestigkeit und Versickerungsfähigkeit, sondern auch die chemische Belastung erkundet, ist hierzu unabdingbar.
Lp+b ist als Dortmunder Büro seit nunmehr 20 Jahren mit Konversions-Projekten im Ruhrgebiet betraut. Die topografischen, geologischen, stadt- und landschaftsräumlichen und nicht zuletzt die ökologischen Gegebenheiten der Region sind bestens bekannt, ebenso ihre spezifischen Besonderheiten hinsichtlich der vielfältigen Akteurinnen und Akteure mit ihren Städten, Gemeinden und übergreifenden Körperschaften in ihrem Wechselspiel mit den unterschiedlichsten privaten Initiativen und Investitionen aller Art.
Wir haben die Transformation der Landschaft von Bergbau und Stahlindustrie hin zu einem modernen Dienstleistungsstandort verinnerlicht und begleiten und betreuen mit Vorliebe jene Projekte, die die alten Standorte revitalisieren und mit ihrer Einzigartigkeit echte Landmarken ausbilden, welche das Ruhrgebiet weltoffen, nachhaltig und zukunftsorientiert weiterentwickeln. Wir sagen deshalb:
Nördlich der Ruhr: Neue Natur!
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